Wer mit persönlichem Einsatz in die Arbeiten von Astrid Jaeger eintaucht, wird belohnt und irritiert zugleich: denn obwohl die Leinwand mit der ihr aufgetragenen Farbe dieselbe bleibt, so wandelt sich der Eindruck des gesehenen beim Betrachter bei jedem neuen Versuch. Immer wieder, wenn der Besucher sich aufmacht zu bestimmen, was er hier nun eigentlich vor sich hat, wird ein anderes Detail, eine andere Farbe sichtbar. Die aktiviert neue Bewusstseinsebenen, erzeugt Assoziationen , - innere Bilder, die nur dem Zeugen geschuldet sind. Sehen und erkennen sind zweierlei, immer persönlich und abhängig von der Zeit lernen wir hier.
Das kleinere Glück des Betrachters liegt dabei in der Vorliebe der Jaeger für warme rot und orange gehaltene Töne, das schafft zumindest einen kleineren Wiederkennungswert, - Farbe gibt Halt! Aber sich hier an etwas festzuhalten, rächt sich entweder durch zu frühe Gestaltbildung oder der Sucher hat einen kleinen persönlichen Schatz gefunden [ "Ich sehe was, was du nicht siehst !! "] Die allein gültige Interpretation eines Bildes ist das nicht. Die Kunst der freien Malerei lädt uns hier ein, mit ihr auf eine Reise durch die tieferen Schichten des eigenen Selbstes, intellektuellen Urteilsvermögens - oder gar "schlimmerem" zu gehen. Und genau das ist lustig, aufregend und absolut unterhaltend.
Kleine Hinweise, wie etwa die Titel der Werke, können uns einen Weg weisen zu verstehen, was frau uns hier zeigen will. Bei einigen der Acrylbilder schenkt uns die "Jaegerin", die hauptberuflich junge Maler und Fachoberschüler unter-richtet, im Sehen schult, konkretes.
Welch lustige Irritationen entstehen aber, wenn auch nur zwei Menschen etwa über ihren "Poeten" diskutieren. Jeder scheint etwas anderes zu sehen, und jeder "hat Recht". Der Rezensent hat auch bei anderen Bildern, etwa dem konkreteren Werk "Tanz um den Pol" die unterschiedlichsten Interpretationen gehört. Ja, wir glauben einen Pol auszumachen. Aber welcher Pol ist gemeint? Und wer tanzt da? Was hat das mit uns zu tun?
Am Ende alles. Aus den Fragen entsteht das, was bleibt..., sagt Kästner, und so ist das auch hier.
Wenn wir wollen, können wir Maß anlegen mit unserem Wertesystem, die Bilder selbst werden sich diesem Urteil entziehen. Spätestens am nächsten Tag. Ein jeglich Urteil hat nur für den Moment Bestand und fällt in den Orkus des Vergessens. Die Bilder nicht. Beim erneuten Versuch der "Analyse", eine andere eigene Grundstimmung - zack - und schon zeigen sich neue Facetten, Wirkungen und Aspekte von uns selbst. Hierhin hat sich die Künstlerin allein in ihrem Atelier schon einmal für alle Fälle vorgearbeitet, ist stetig hin und hergelaufen, um ihre eigenes Tun aus allen Richtungen genau zu reflektieren, gleichzeitig unserem immerwährenden Wunsch, uns ein Bildnis zu machen, einen Schritt voraus zu sein. Erst wenn wir uns in ihren Zustand, diese dynamische Mischung aus Energie, Konzentration und Lebendigkeit vorgearbeitet haben, den sie für sich selbst und zu unserem Vergnügen freigesetzt hat, können wir erahnen, worum es ihr geht. Und was auf uns warten könnte.
Dies ist das vollkommene Gegenteil von Dekoration und eigentlich auch das Ende der Kunstkritik, denn es sind wir, die über die Betrachtung der Bilder zum Sinnen, intuitiven fühlen und sprechen angeregt werden. Das ist gut so. Und auch der eigentliche Sinn der Sache.
Udo Schneider, 20-08-2008